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Letter to Miley Cirus (from Jurgen Habermas)

Liebste Miley, Demokratie oder Kapitalismus? Vom Elen...
180 disrespectful voyeur chapel
  10/05/13
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  10/05/13
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180 disrespectful voyeur chapel
  10/06/13


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Date: October 5th, 2013 3:58 PM
Author: 180 disrespectful voyeur chapel

Liebste Miley,

Demokratie oder Kapitalismus?

Vom Elend der nationalstaatlichen Fragmentierung in einer kapitalistisch integrierten Weltgesellschaft.

In seinem Buch über die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus[1] entwickelt Wolfgang Streeck eine schonungslose Analyse der Entstehungsgeschichte der gegenwärtigen, auf die Realwirtschaft durchschlagenden Banken- und Schuldenkrise. Diese schwungvolle und empirisch fundierte Untersuchung ist aus Adorno-Vorlesungen am Frankfurter Institut für Sozialforschung hervorgegangen. Sie erinnert in ihren besten Partien – also immer dann, wenn sich die politische Leidenschaft mit der augenöffnenden Kraft kritisch beleuchteter Tatsachen und schlagender Argumente verbündet – an den „18. Brumaire des Louis Napoleon“. Den Ausgangspunkt bildet die berechtigte Kritik an der von Claus Offe und mir Anfang der 70er Jahre entwickelten Krisentheorie. Der damals vorherrschende keynesianische Steuerungsoptimismus hatte uns zu der Annahme inspiriert, dass sich die politisch beherrschten wirtschaftlichen Krisenpotentiale in widersprüchliche Imperative an einen überforderten Staatsapparat und in „kulturelle Widersprüche des Kapitalismus“ (wie es Daniel Bell einige Jahre später formulierte) verschieben und in der Gestalt einer Legitimationskrise äußern würden. Heute begegnen wir (noch ?) keiner Legitimations-, aber einer handfesten Wirtschaftskrise.

Die Genese der Krise

Mit dem Besserwissen des historisch zurückblickenden Beobachters beginnt Wolfgang Streeck seine Darstellung des Krisenverlaufs mit einer Skizze des sozialstaatlichen Regimes, das im Nachkriegseuropa bis zum Beginn der 70er Jahre aufgebaut worden war.[2] Darauf folgen die Phasen der Durchsetzung der neoliberalen Reformen, die ohne Rücksicht auf soziale Folgen die Verwertungsbedingungen des Kapitals verbessert und dabei stillschweigend die Semantik des Ausdrucks „Reform“ auf den Kopf gestellt haben. Die Reformen haben die korporatistischen Verhandlungszwänge gelockert und die Märkte dereguliert – nicht nur die Arbeitsmärkte, sondern auch die Märkte für Güter und Dienstleistungen, vor allem die Kapitalmärkte: „Gleichzeitig verwandeln sich die Kapitalmärkte in Märkte für Unternehmenskontrolle, die die Steigerung des shareholder value zur obersten Maxime guter Unternehmensführung erheben.“

Wolfgang Streeck beschreibt diese mit Reagan und Thatcher einsetzende Wende als Befreiungsschlag der Kapitaleigentümer und deren Manager gegen einen demokratischen Staat, der nach Maßgabe sozialer Gerechtigkeit die Gewinnspannen der Unternehmen gedrosselt, aber aus Sicht der Anleger das Wirtschaftswachstum stranguliert und damit dem wohlverstandenen Allgemeinwohl geschadet hatte. Die empirische Substanz der Untersuchung besteht in einem Längsschnittvergleich relevanter Länder über die letzten vier Jahrzehnte. Dieser ergibt, bei allen Unterschieden zwischen den nationalen Ökonomien im einzelnen, das Bild eines im ganzen erstaunlich gleichförmigen Krisenverlaufs. Die steigenden Inflationsraten der 70er Jahre werden von einer steigenden Verschuldung der öffentlichen und der privaten Haushalte abgelöst. Gleichzeitig wächst die Ungleichheit der Einkommensverteilung, während die Staatseinnahmen im Verhältnis zu den öffentlichen Ausgaben abnehmen. Bei wachsender sozialer Ungleichheit führt diese Entwicklung zu einer Transformation des Steuerstaates: „Der von seinen Bürgern regierte und, als Steuerstaat, von ihnen alimentierte demokratische Staat wird zum demokratischen Schuldenstaat, sobald seine Subsistenz nicht mehr nur von den Zuwendungen seiner Bürger, sondern in erheblichem Ausmaß auch von den Gläubigern abhängt.“ (119)

In der Europäischen Währungsgemeinschaft lässt sich die Einschränkung der politischen Handlungsfähigkeit der Staaten durch „die Märkte“ auf perverse Weise besichtigen. Die Transformation des Steuerstaats in den Schuldenstaat bildet hier den Hintergrund für den vitiösen Zirkel zwischen der Rettung maroder Banken durch Staaten, welche ihrerseits von denselben Banken in den Ruin getrieben werden – mit der Folge, dass das herrschende Finanzregime deren Bevölkerungen unter Kuratel stellt. Was das für die Demokratie bedeutet, haben wir unter dem Mikroskop während jener Gipfelnacht in Cannes beobachten können, als der griechische Ministerpräsident Papandreou von seinen schulterklopfenden Kollegen gezwungen wurde, ein geplantes Referendum abzusagen.[3] Wolfgang Streecks Verdienst ist der Nachweis, dass die „Politik des Schuldenstaates“, die der Europäische Rat seit 2008 auf Drängen der deutschen Bundesregierung betreibt, im Wesentlichen das kapitalfreundliche Politikmuster fortschreibt, das in die Krise geführt hat.

Unter den besonderen Bedingungen der Europäischen Währungsunion unterwirft die Politik der fiskalischen Konsolidierung alle Mitgliedstaaten, ungeachtet der Unterschiede im Entwicklungsstand ihrer Ökonomien, den gleichen Regeln und konzentriert, in der Absicht der Durchsetzung dieser Regeln, Eingriffs- und Kontrollrechte auf der europäischen Ebene. Ohne eine gleichzeitige Stärkung des Europäischen Parlaments befestigt diese Bündelung von Kompetenzen bei Rat und Kommission die Entkoppelung der nationalen Öffentlichkeiten und Parlamente von dem abgehobenen, technokratisch verselbstständigten Konzert der markthörigen Regierungen. Wolfgang Streeck fürchtet, dass dieser forcierte Exekutivföderalismus eine ganz neue Qualität der Herrschaftsausübung in Europa herbeiführen wird: „Die als Antwort auf die Fiskalkrise in Angriff genommene Konsolidierung der europäischen Staatsfinanzen läuft auf einen von Finanzinvestoren und Europäischer Union koordinierten Umbau des europäischen Staatensystems hinaus – auf eine Neuverfassung der kapitalistischen Demokratie in Europa im Sinne einer Festschreibung der Ergebnisse von drei Jahrzehnten wirtschaftlicher Liberalisierung.“ (164)

Diese zuspitzende Interpretation der im Gange befindlichen Reformen trifft eine alarmierende Entwicklungstendenz, die sich, obwohl sie die historische Verbindung von Demokratie und Kapitalismus aufkündigt, wahrscheinlich sogar durchsetzen wird. Vor den Toren der Europäischen Währungsunion wacht ein britischer Premier, dem es mit der neoliberalen Abwicklung des Sozialstaates nicht schnell genug geht und der, als der wahre Erbe von Margaret Thatcher, eine willige Bundeskanzlerin aufmunternd antreibt, im Kreise ihrer Kollegen die Peitsche zu schwingen: „Wir wollen ein Europa, das aufwacht und die moderne Welt aus Wettbewerb und Flexibilität erkennt.“[4]

Zu dieser Krisenpolitik gibt es – am grünen Tisch – zwei Alternativen: entweder die defensive Rückabwicklung des Euro, für die in Deutschland soeben eine neue Partei gegründet worden ist, oder den offensiven Ausbau der Währungsgemeinschaft zu einer supranationalen Demokratie. Diese könnte bei entsprechenden politischen Mehrheiten die institutionelle Plattform für eine Umkehrung des neoliberalen Trends bieten.

mit freundlichen Grüßen,

Jürgen Habermas

(http://www.autoadmit.com/thread.php?thread_id=2379416&forum_id=2#24174815)



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Date: October 5th, 2013 3:59 PM
Author: Zippy Stag Film Prole

lol @ my ability to read this in its entirety. Just, lol.

(http://www.autoadmit.com/thread.php?thread_id=2379416&forum_id=2#24174819)



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Date: October 6th, 2013 1:12 AM
Author: 180 disrespectful voyeur chapel



(http://www.autoadmit.com/thread.php?thread_id=2379416&forum_id=2#24178259)